Wo bist du zu Hause Gott?

Bist du bei uns noch zu Hause Gott? Christliches Abendland, die wir den Namen deines Sohnes tragen?

Fühlst du dich noch zu Hause hier, wo die syrische junge Mutter angepöbelt wird weil sie ein blumenfrohes Kopftuch trägt? Bist du noch gerne, wo wir den, der aus seinem Heimatland floh weil er den Dienst an der Waffe verweigerte, als Terroristen verdächtigen, weil sein Bart etwas länger ist als der unseres Sparkassenangestellten? Fühlst du dich noch heimisch wo wir auf die Straße gehen und Parolen brüllen, damit sie von unseren Straßen verschwinden, diese Fremden. Wo wir den der alles zurücklassen musste mit Almosen abspeisen? Ihm selbst den Gang zur Tafel verwehren anstatt ihn zum Essen zu laden? Willst du noch an unserem Tisch sitzen Gott, solange wir Brot und Wein und Kartoffeln und Auberginen nicht mit denen teilen die zu Gast bei uns sind? Uns scheinen sie vielleicht ungebeten aber wir haben übersehen dass du sie zu uns, den reich Gesegneten geschickt hast, damit wir alle satt werden.

Bewunderst du – der du alle Farben des Regenbogens erschaffen hast – auch indem du dich auf der Straße stirnrunzelnd nach dem bunten Gewand der Afrikanerin umdrehst? Starrst du sie auch missbilligend an, die überforderte Alleinerziehende? Was!? Schon wieder schwanger? Du kannst ja nicht wissen dass ihr Mann in den Folterkammern geblieben ist und das Kind unter ihrem Herzen einzige Erinnerung an den todesmutigen Weggefährten.

Suchst du dir auch einen anderen Platz in der Bahn, weil es dir auf die Nerven geht, dass die zwei afghanischen Jungs Krieg spielen? Einfach spielen und nachahmen wie jedes Kind nachahmt was in seiner Welt passiert?

Willst du Gott zu Hause sein wo wir den Heimatlosen verwehren heimisch zu werden?

Siehst du einfach zu, wo harmlose Beamte mit sicherer Rentenperspektive an einem Schreibtisch gedankenlos über Leben und Tod eines anderen entscheiden? Weder Gesicht noch Geschichte kennen, nur namenlose Briefe, geschrieben in einer Sprache die keiner wirklich versteht.

Da sind so viele, die mit einem Rucksack voller Hoffnung ankamen und von endlosen Behördengängen ausgehungert werden, bis ihnen der Atem ausgeht. Ablehnung, Abschiebung. Nicht mehr geduldet.

Fühlst du dich uns noch zugehörig Gott, wo wir die Opfer zurückschicken und ihren Gewalttätern auch noch Waffen zuschieben um sie weiter zu quälen?

Wir beschämen die, die „nur“ auf der Suche nach einem besseren Leben zu uns kommen und empören uns dass das doch kein Fluchtgrund wäre. Und beuten weiterhin -ganz unempört und unverschämt – weiter deren Heimat aus. Sichere Herkunftsländer ist das Schlagwort. Stimmt, sicher ist dort vieles. Auf jeden Fall Armut und Elend.

Diese Unwillkommenen sollen kein Stück unseres Kuchens bekommen und doch macht sich unserer fette Doppelmoral an ihrem Tisch dort breit und verspeist ungefragt und ungeladen das größte Stück ihres Kuchens während die Söhne und Töchter des Landes mit hungrigen Augen auf leere Teller starren.

Heimat ist jedem Menschen wertvoll. Niemand verlässt sie ohne Grund.

Fragt jemand außer dir mein Gott nach diesem Grund? Fragt jemand nach ihren verzweifelten Tränen, ihrer Todesangst, der quälend schweren Entscheidung Heimat gegen Flucht einzutauschen? Will jemand hören, wissen was es bedeutet endlos lange unterwegs zu sein, gehetzt von Ordnungshütern und Ausbeutern, verfolgt von Alpträumen, schutzlos allem ausgeliefert, bei Nacht und Nebel Grenzen zu überschreiten? Oft war der Weg so lang, dass sich weder sein Staub von den Füßen waschen lässt, noch seine Grausamkeit von der Seele.

Wir geben vor, es ist weil du bei uns wohnst, im christlichen Abendland. Wir tun es in deinem Namen. Aber ist das wirklich der Grund, warum wir uns plötzlich wieder auf dich berufen und deine Kreuze wieder an unserer Wände schlagen? Mir scheint, es hat oft herzlich wenig mit dir zu tun, dafür umso mehr mit uns und unserem Egoismus. Dass wir nicht teilen wollen, nicht lieben wollen. Was für ein Zeichen wollen wir setzen, ausgerechnet mit dem Kreuz das für Liebe und Versöhnung steht uns abzugrenzen und andere auszugrenzen?

Mir ist als würden dir mit unserer Bigotterie wieder neu die Nägel durch die Hände getrieben.

Unser christliches Vaterland soll verteidigt werden gegen das Fremde, das Andersgläubige. Vater vergib uns, denn wir wissen nicht was wir tun. Ja sie überschreiten unserer Grenzen in vieler Hinsicht – fordern uns heraus unserer Grenzen nochmal neu zu stecken, mehr zu glauben, mehr zu lieben, mehr zu hoffen.

Glauben wir tatsächlich an den gleichen Gott liebes christliches Abendland? Denn mein Gott schlägt neuerdings sein Zelt bei den Fremden auf. Haust lieber in windigen Zelten statt in goldüberladenen Gotteshäusern.

Noch nie ließ er Zweifel daran und hat seine Worte sogar zum Nachlesen aufschreiben lassen, zum erinnern, dass er bei denen ist, die ein zerbrochenes Herz haben – und das haben sie eigentlich alle. Dass er bei denen wohnt deren Träume im Mittelmeer über Bord gingen. Schon immer hast du dich Gott auf die Seite der Schwachen, der Zerbrochenen, der Fremden gestellt. Dich mit dem Leid der Welt eins gemacht. Da bist du konsequent geblieben durch alle Weltgeschichte. Ganz im Gegensatz zu uns, deinen Nachfolgern.

Dabei saßen auch wir vor nicht zu vielen Jahren in einem dunklen Land, zwischen zerbombten Ruinen, missbraucht, verraten, ohne Hoffnung und Träume, unsere Leben und unser Gewissen gesäumt mit Leichen.

Hätten sie alle, die eigentlich Feinde und Fremde waren, damals uns nicht unter die Arme gegriffen, unserer Kinder mit Schokolade gefüttert und geglaubt dass dieses Land wieder blühen kann, wir wären nicht was wir heute sind. Wir konnten Hoffnung schöpfen und in eine gute Zukunft gehen.

Hatten wir das mehr verdient als sie, die heute in unserem Land um Hoffnung und Zukunft ringen?

Liebes christliches Abendland, tue um Gottes willen und in Gottes Namen endlich wieder wofür ER steht: den Fremden umarmen, dem Hungrigen Herz und Magen füllen, dem Einsamen Familie sein, dem Zerbrochenen Hoffnung schenken, dem Kranken die Hände auflegen, die Kinder schützen und die Trauerden trösten. Lass uns liebes Abendland, liebe Heimat, das Kreuz an unsere Herzenswand und nicht nur an unsere Bürowand hängen.

Damit Glaube, Liebe und Hoffnung unter uns überleben und das Kreuz zurecht uns erinnert, dass du Gott bei uns zuhause bist.

Inspiriert und gewidmet den Erlöserschwestern bei denen Gott Zuhause ist

Autorin: Daniela Helfrich